LANDGERICHT MÜNCHEN | URTEIL | BASIS- RÜRUPRENTE | AZ 4 HK O 412/25 | VOM 08.09.25 | BEI DER WERBUNG EINER RÜRUPRENTE MUSS DIE NACHGELAGERTE STEUERLAST UND KEIN FREIER KAPITALZUGRIFF AUFGEFÜHRT WERDEN
BASIS- RÜRUPRENTE | LG URTEIL MÜNCHEN | BEI DER WERBUNG EINER STEUEROPTIMIERTEN VORSORGE ÜBER DIE RÜRUP-RENTE MUSS DER HINWEIS DER NACHGELAGERTEN BESTEUERUNG UND DIE NICHT FREIE VERFÜGBARKEIT DES KAPITALZUGRIFFES ERFOLGEN
BASISRENTE - RÜRUP-RENTE | URTEIL | WERBUNG MIT STEUERVORTEILE OHNE HINWEIS DER SPÄTEREN STEUERLAST IST NICHT RECHTSKRÄFTIG | LG MÜNCHEN | AZ 4 HK 0 412/25 | 08.09.2025

BASISRENTE - RÜRUP-RENTE IM FOKUS, LANDGERICHT MÜNCHNEN ENTSCHEIDET, DASS EINE STEUEROPTIMIERTE WERBUNG DER ALTERSVORSORGE ÜBER DIE RÜRUPRENTE ALLE HINWEISE ZUR VERSTEUERUNG ENTHALTEN MUSS UND NICHT NUR DIE STEUERVORTEILE, SONDERN AUCH ALLE VERBUNDENEN NACHTEILE DES PRODUKTES
Landgericht München I
Az.: 4 HK 0 412/25
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V., vertreten durch d. Vorstand -DATENSCHUTZ-
, Paulinenstraße 47, 70178 Stuttgart
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
-DATENSCHUTZ-
gegen
Generali Deutschland AG, vertreten durch -DATENSCHUTZ-
Adenauerring 7-11, 81737 München
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
-DATENSCHUTZ-
wegen Forderung
erlässt das Landgericht München | - 4. Kammer für Handelssachen - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht , den Handelsrichter und den Handelsrichter am 08.09.2025 aufgrund des Sachstands vom 29.08.2025 folgendes
ENDURTEIL
I.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern im Internet für den Abschluss einer Rürup-Rente/Basis-Rente mit zahlreichen Steuervorteilen zu werben und dabei zu verschweigen, dass infolge der sog. nachgelagerten Besteuerung der Verbraucher bei Rentenbeginn die Rentenauszahlung abhängig vom Jahr des Rentenbeginns zu versteuern hat,
wie geschehen gemäß Screenshots nach Anlage K 2.
II.
Der Beklagten wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen eine der in Ziffern l. und II. genannten Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer der Beklagten, angedroht.
Ill.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 243,51 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten
über Basiszinssatz hieraus seit 20.02.2025 zu bezahlen.
IV.
Die Beklagte trägt Kosten des Rechtsstreits.
V.
Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer l. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 20.000,00, im
Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger, ein eingetragener Verein, der aus öffentlichen Mitteln zu dem Zweck gefördert wird,
im Interesse der Gesamtheit aller Verbraucher tätig zu werden, wendet sich zuletzt noch dagegen, dass die Beklagte, im Zusammenhang mit der Bewerbung einer Rürup-Rente Steuervorteile
bewirbt, die nach Auffassung des Klägers in irreführender Weise dargestellt werden.
Wie sich aus dem als Anlage K 2 vorgelegten Screenshot ergibt, warb die Beklagte in der Vergangenheit für die Rürup-Rente mit zahlreichen Steuervorteilen, etwa damit, dass die lebenslange Rente vom Staat gefördert werde. Hierbei wurde angeführt, dass der Staat den Beitrag zur Berufsunfähigkeitsabsicherung in der Basis-Rente Vermögensaufbau steuerlich fördere, dass
100 % der Beträge für die Altersvorsorge in der Steuererklärung angegeben werden könnten und
dass eine erhebliche Steuerersparnis bestehe. Nicht darauf hingewiesen wurde, dass zwar der
Vermögensaufbau steuerlich gefördert wird, die Rürup-Rentenauszahlungen aber mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern sind.
Der Kläger hält dies für irreführend.
Er ist weiterhin der Auffassung, dass er von der Beklagten hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags I. abgegebenen Anerkenntnisses, dass zum Anerkenntnisurteil vom 19.03.2025 führte,
nicht um ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von 5 93 ZPO handele. Wie sich aus der Anlage
K 3 ergebe, sei die Beklagten mit Abmahnschreiben vom 27.11.2024 unter zwei E-Mail-Adressen
abgemahnt worden, und zwar unter der Mailadresse schadenservice@generali.com und
service@generali.de. Letzterer sei aus dem Impressum der Beklagten entnommen werden.
Folgerichtig habe die Klägerin von der Beklagten die als Anlage K 4 vorgelegte E-Mail als automatisierte Antwort bekommen. Die Abmahnung der Klägerin sei der Beklagten deshalb zugegangen. Da sie hierauf nicht reagiert habe, habe sich Anlass zur Klageerhebung gegeben.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen wie geschehen und beantragt darüber hinaus
der Klägerin auch die Kosten des Anerkenntnisses aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung und stellt den Antrag, der Klägerin die Kosten des sofor—
tigen Anerkenntnisses nach @ 93 ZPO aufzuerlegen.
Sie trägt vor, die Nachbesteuerung bei der beworbenen Basisrente sei kein Steuernachteil. Die
Besteuerung von Einkünften oder Beträgen erfolge nach dem deutschen Steuerrecht auf jeden
Fall. Eine Grundsatzregel zum Steuerrecht laute dahin, dass dann, wenn in der Ansparphase Beiträge staatliche gefördert worden seien, die Rente in der Auszahlungsphase voll steuerpflichtig werde. Dieser Grundsatz gelte im Steuerrecht allgemein und stelle keine Besonderheit der Basisrente (Rürup-Rente) und erst recht nicht insoweit von der Beklagten angebotenen Produkts der
Basisrente dar. Deswegen bestünde auch keine lnformationspflicht der Beklagten hinsichtlich der
Nachbesteuerung und ein Verstoß gegen 5 5a Abs. 1 UWG scheide aus.
Da es bereits an einem Hauptanspruch fehle, gebe es auch keine Grundlage für die verlangte Erstattung der geltend gemachten Abmahnpauschale, die auch der Höhe nach bestritten werde.
Was den von der Beklagten anerkannten Anspruch angehe, müsse mit Nichtwissen bestritten
werden, dass der Kläger die Abmahnungen an beide von ihm genannten E-MaiI-Adressen der Be—
klagten gesandt habe. Zu der allgemeinen E-Mail-Adresse sei jedenfalls kein Posteingang der Be—
klagten zu verzeichnen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst
Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Klage war — soweit sie nicht bereits anerkannt wurde - mit der Kostenfolge des 5 91 Abs. 1 ZPO stattzugeben, da dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, der noch nicht anerkannt wurde, zusteht und ein Fall des sofortigen Anerkenntnisses nach 5 93 ZPO nicht vorliegt.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
- Der Kläger hat den mit Klageantrag II. geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 5 a Abs. 1 UWG, da die Beklagte den Verbrauchern in der Werbung gemäß Anlage K 2 wesentliche Informationen vorenthalten hat, die diese benötigen, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und die daher geeignet sind, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser ansonsten nicht getroffen hätte. Betrachtet man die Anlage K 2 in ihrer konkreten Ausgestaltung, so wird deutlich, dass an zahlreichen Stellen damit geworben wird, dass die Rürup-Rente steuerlich gefördert ist und man mit ihr Steuern sparen kann.
So wird z. B. auf Seite 5 der Anlage K 2 unter der Unterschrift „Wie hoch ist der steuerlich geförderte Höchstbeitrag“ damit geworben, dass die steuerliche Förderquote 31 ‚40 % und die mögliche Steuerersparnis 13.954,18 € betragen kann (vgl. Seite 7 der Anlage K 2).
Betrachtet der durchschnittliche Verbraucher die Anlage K 2, so wird er davon ausgehen, dass diese Steuerersparnis auch dauerhaft bei ihm verbleibt, er also unter Inanspruchnahme staatlicher Förderung eine Geldanlage tätigen kann, mit der er nachhaltig und endgültig Steuern spart.
Dies ist jedoch tatsächlich nicht der Fall. Unstreitig muss das unter staatlicher Förderung angelegte Geld in der Auszahlungsphase besteuert werden, d. h. im Ergebnis ist die beworbene Steuerersparnis eine Steuerverlagerung in die Auszahlungsphase.
Wenn die Beklagte nicht nur als bloße Information die Steuervorteile beim Rentenaufbau nennt, sondern als besondere Vorteile der Rürup-Rente werblich in den Vordergrund stellt und Steuerberechnungen anstellt, ist es ihr zuzumuten, dem Verbraucher vor Augen zu führen, dass der Steuervorteil beim Vermögensaufbau infolge der Steuerpflicht in der Rentenphase aufgezehrt werden kann und es sich letztendlich jedenfalls teilweise nicht um eine Steuerersparnis, sondern eine zeitliche Verschiebung der Versteuerung in die Auszahlungsphase handelt.
Diese Information ist für den Verbraucher wichtig, um darüber zu entscheiden, ob er das von der Beklagten beworbene Modell wählt oder gegebenenfalls andere Modelle des Vermögensaufbaus zum Zwecke der Altersvorsorge wählt, bei denen nach Ablauf einer Haltefrist alle Gewinne aus dem Vermögensaufbau steuerfrei sind. Die Beklagte verstößt daher mit der streitgegenständlichen Werbung in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen 5 5 a UWG wenn sie nicht darauf hinweist, dass eine Besteuerung der Rürup-Rente in der Auszahlungsphase stattfindet. - Hinsichtlich des von der Beklagten anerkannten ursprünglichen Klageantrags I. liegt kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von 5 93 Abs. 1 ZPO vor. Die Beklagte hat dadurch Anlass zur Klageerhebung gegeben, dass sie auf die beiden per E-|Vlail übermittelten Abmahnungen des Klägers nicht reagiert hat.
Die Beklagte hat die E-Mail-Adresse service@generali.de in ihrem Impressum als Kontaktadresse vorgehalten. Nach 5 5 DGG muss eine E-Mail-Adresse es ermöglichen, ohne Einschränkungen durch Zeichenbegrenzungen oder vordefinierte Kategorien mit dem Anbieter in Kontakt zu treten.
Die Beklagte kann sich daher nicht erfolgreich auf das Argument zurückziehen, sie hätte diese allgemeine Adresse allein dem Service im Schadensfalls vorbehalten.
Auch der Einwand, die E-Mail sei bei ihr nicht angekommen, überzeugt nicht. Wie sich aus der Anlage K 4 ergibt, hat die Beklagte den Eingang der E-Mail sogar bestätigt und dem Vorgang sogar eine eigene Nummer gegeben.
Da nach der Rechtsprechung des BGH bei einem Bestreiten des Erhalts der Abmahnung durch den Schuldner der Gläubiger lediglich im Rahmen der sekundären Darlegungslast die Absendung des Abmahnschreibens nachweisen muss (BGH, Beschluss vom 21.12.2006, Az. | ZB 17/06) und die Beklagte keinerlei konkreten Umstände dazu vorgetragen hat, weshalb die Abmahnung trotz der Bestätigung gemäß Anlage K 4 bei ihr nicht angekommen ist, hat sie dadurch, dass sie auf die Abmahnung nicht reagiert hat, Anlass zur Klageerhebung gegeben. - Da die Abmahnung des Klägers in vollem Umfang begründet war, hat er Anspruch aus 5 13 Abs. 3 UWG auf Erstattung der der Höhe nach angemessenen Abmahnkostenpauschale.
- Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus @ 709 Satz 1 ZPO.
gez.
Vorsitzende Richterin Handelsrichter Handelsrichter
am Landgencht
Verkündet am 08.09.2025 gez. , JAng Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Für die Richtigkeit der Abschrift
München, 08.09.2025
, JAng
' Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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